Entwicklung einheitlicher Schachregeln in der Geschichte des Schachspiels |
Schachregeln
Im Londoner Gentleman's Magazine erschien im Juli 1787 The Morals of Chess von
Benjamin Franklin (1706–1790). Siehe: Die moralischen Schachregeln des Benjamin
Franklin
Im Jahre 1847 wurde in Deutschland auf die Schachregeln nach Edmond Hoyle (1672–1769) verwiesen. Hoyle war ein britischer Experte für Spiele. Siehe: Schachgesetze und Schachregeln nach Edmond Hoyle
Frankreich - England
Nach dem legendären Schachkampf im Jahre 1843 zwischen Howard Staunton und
Pierre Saint-Amant, in dem Frankreich seine Vormachtstellung im Schach gegenüber
England einbüßte, verstärkten sich die nationalen Denkweisen und verhinderten
zugleich einheitliche Schachregeln. Ein Streit über die unterschiedliche
Auslegung des Begriffs "Patt" in einer Schachpartie zeigte, wie weit man noch
von international einheitlichen Schachregeln entfernt war. Herrmann Hirschbach,
der Leipziger Schachspieler und Herausgeber der Deutschen
Schachzeitung, schrieb 1846:
"In Frankreich und England streitet man sich über die Frage herum, ob man sich
patt erklären dürfe, wenn man weiter nichts zu spielen hat, als den eben 2
Schritt gezogenen Bauern des Gegners im Vorbeigehen zu nehmen. St. Amant
entscheidet sich mit Recht (wie wir glauben) dagegen, obgleich auch Walker zu
den Bejahern gehört. Wir entnehmen folgende darauf bezügliche Stellung dem
Palamède.
Hier gewinnt Weiß die Partie nur, wenn es b2 b4 zieht; nicht aber wenn bloß b2 b3. Im ersten Falle muss Schwarz c4 b3 nehmen, und verliert so, da später auch, nach Abtausch der Offiziere, c3 verloren geht, die Freibauern. Zieht aber Weiß bloß b2 b3, so spielt Schwarz a4 a5 und die Partie wird remis."
Italien - England
Serafino Dubois (1817–1899) war der bedeutendste italienische Schachmeister des
19. Jahrhunderts. Bei internationalen Schachpartien hatte Dubois jedoch das
Problem, dass in Italien nach anderen Schachregeln gespielt wurde. Trotzdem
spielte der Italiener erfolgreich gegen die internationalen Schachmeister. 1855
und 1856 besiegte Dubois im Café de la Régence in Paris den Franzosen Jules
Arnous de Rivière. 1862 erreichte Dubois im Londoner Turnier den fünften Rang
und platzierte sich noch vor dem späteren Schachweltmeister Wilhelm Steinitz.
Francesco Discart Galli (1819–1893) war ebenfalls ein starker Schachspieler. 1849 spielte er gegen Ignazio Calvi und ab 1857 mehrfach gegen Cornelio Bonetti. Discart wurde 1862 von Johann Löwenthal zum großen Schachkongress nach London eingeladen. Discart war als Schachspieler der Modeneser Schule nicht so sehr mit den internationalen Regeln des Schachs vertraut und lehnte daher die Einladung ab.
Unsere heute international gültigen Schachregeln nach der FIDE (Fédération Internationale des Échecs) wurden erst wesentlich später festgelegt. Die FIDE wurde erst 1924 gegründet. Trotzdem hielten viele Engländer mindestens noch 50 Jahre nach den FIDE-Regeln an ihrer klassischen englischen Notation fest. Beispielsweise wurde auch erst 1971 das englische Pfund Sterling auf das international übliche Dezimalsystem umgestellt. Die zunehmende Globalisierung durch neue Kommunikationstechnologien wie E-Mail und Internet machen eine internationale "Schach-Sprache" mehr und mehr unabdingbar. Siehe: Internationale Übersetzung von Schachbegriffen und Schachfiguren
1842 wurden in den Schachdiagrammen der französischen Zeitschrift Le Palamède die Figuren noch durch Buchstaben symbolisiert. Im Mai 1843 veröffentlichte der Le Palamède die neue Schachnotation und berichtet, dass die neue Schreibweise schneller und leichter zu lernen und die universelle Schach-Sprache in Europa werden soll.
Zur neuen Notation schrieb Herrmann Hirschbach 1846 in seiner Deutschen Schachzeitung: "Es ist kein Wunder, dass sich die Regierungen des so zersplitterten Deutschlands nicht über ein allgemeines Münzsystem vereinigen können, da die Schachspieler nicht einmal eine allgemein gültige Schreibweise anzunehmen vermögen."
Anfang des Jahres 1849 führte die von Lionel Kieseritzky (1806–1853) herausgegebene Schachzeitung La Régence eine andere Notation ein. Bereits auf dem Titelblatt der ersten Ausgabe wurde dies ganz deutlich gemacht.
Durch die Veröffentlichung der neuen Notation wurde ein entscheidender Schritt zur Internationalisierung getan und damit die Basis für eine größere Verbreitung des Schachspiels geschaffen. In der Praxis sah ein Diagramm in der französischen Schachzeitung wie folgt aus:
Otto von Oppen schrieb in der Berliner Schachzeitung 1849 ab Seite 117 eine sechsseitige Abhandlung über die neue Notation (dort nachzulesen).
In dem von Pierre Saint-Amant herausgegebenen Schachmagazin Le Palamède Revue mensuelle des échecs et autres jeux (vom 15. Dezember 1841 = Zweite Serie, Nummer 1 nach Seite 48) wurden die Schachfiguren im Diagramm noch mit Großbuchstaben bezeichnet. Die folgende Abbildung zeigt eine Schachkomposition von Ignazio Calvi. Es ist ein Matt in drei Zügen. Beispielsweise stand das große "P" für "Pion", also für den Bauern.
Am 15. April 1842 wurde im Palamède eine neue Darstellung der Figuren angekündigt. Die bisher verwendeten Großbuchstaben wurden im Hinblick auf die zunehmende Internationalität des Schachspiels durch Symbole ersetzt. Man orientierte sich an den Symbolen, wie sie in Großbritannien, der Nation der Schachspieler, bereits eingeführt waren. Der Läufer, im englischen "the bishop", wurde mit der stilisierten Darstellung einer Mitra (im Volksmund Bischofsmütze) symbolisiert. In Großbritannien bildeten die Protestanten die Bevölkerungsmehrheit, während in Frankreich die römisch-katholische Kirche maßgebend war. In den Schachdiagrammen sollte die Kopfbedeckung des Bischofs wie im nachfolgenden Diagramm abgebildet werden:
Vermutlich konnte man sich nicht auf eine international einheitliche protestantisch-römisch-katholische Bischofsmütze (Mitra) einigen und so wurde in der Ausgabe Nr. 8 vom 15. Juli 1842 das Symbol für den Läufer geändert. Dieser kleine Narr sollte von nun an die Mitra ersetzen:
Für die Figur des Läufers gab es in Frankreich seit jeher die Bezeichnung "Le Fou" (der Narr) und nun gab es das Problem, dass man den Narren nicht mit einer Bischofsmütze darstellen wollte. Die Gestaltung der übrigen Figuren wurde akzeptiert, nur der "englische Bischof" musste in Frankreich "ein Narr" sein.
Darstellung des Läufers als Narr in einem französischen Schachdiagramm (Palamède 1842)
Neue künstlerische Gestaltung der französischen Diagramme (Palamède Januar 1845)
© Elke Rehder 05.08.2015
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