Die Schachregeln nach Edmond Hoyle |
Edmond Hoyle (1672 - 1769) war ein englischer Experte für Spiele. Von Beruf war er Anwalt und arbeitete für die englische Aristokratie. Für die britische Upper Class schrieb er ein Lehrbuch über das damals sehr beliebte Kartenspiel Whist. Als Anwalt sicherte er sich das Copyright für seine Veröffentlichungen.
Frühe französische Ausgaben
1725 erschien ohne Verfasserangabe bei T. Legras in Paris eine Publikation in der Reihe Académie universelle des jeux, die unter anderem auch Regeln zum Schach enthält. Der Titel lautet: "Académie universelle des jeux, contenant les règles des jeux du trictrac, des échecs, du quadrille, du quintille, de l'hombre à trois, du piquet, du reversis, & de tous les autres jeux."
Ein weiteres frühes Werk erschien ohne Jahresangabe (1739?) ebenfalls bei Legras in Paris. Als Verfasser werden François Danican Philidor und Edmond Hoyle
genannt. Der Titel lautet: "Le jeu du trictrac: comme on le joue aujourd'hui,
enrichi de figures, avec les jeux du revertier, du toute-table, du tournecase,
des dames rabatues, du plain et du toc". Ein Exemplar dieser seltenen Ausgabe befindet sich
heute in der White Collection der Cleveland
Public Library.
In Frankreich sehr bekannt geworden ist die von Philidor und Hoyle verfasste
Publikation "Académie universelle des jeux : contenant les regles de tous les jeux :
avec des instructions faciles pour apprendre à les bien jouer augmentée du jeu
de whisk", welche seit 1765 in zahlreichen Auflagen erschienen ist.
Frühe englische Ausgaben:
Von der ersten Auflage 1742 von "A Short Treatise on the Game of Whist" sind nur sehr wenige Exemplare erhalten geblieben. Die Broschüre war sehr beliebt und es gab zahlreiche Raubdrucke, Nachdrucke und Neuauflagen. 1743 folgte "A short treatise on the game of back-gammon".
Schachregeln wurden von Hoyle 1744 veröffentlicht unter dem Titel "A short
treatise on the game of piquet. : Directing with Moral Certainty how to Discard
any Hand to Advantage, by shewing the Chances of taking in any one, two, three,
four, or five certain Cards. Computations for those who bet their money at the
game. Also the Laws of the Game. To which are added, some rules and
observations for playing well at chess. By Edmund Hoyle, gent." London :
Printed for F. Cogan at the Middle-Temple-Gate, [1744].
1761 publizierte Edmond Hoyle sein Schachbuch "An essay towards making the game
of chess easily learned, By those who know the Moves only, Without the
Assistance of a Master. By Mr. Hoyle." London : printed for T. Osborne , in
Gray’s-Inn ; S. Crowder and Co. at the Looking-Glass, and R. Baldwin, at the
Rose, in Pater-Noster-Row, [1761].
Nach Hoyle's Tod 1769 erschienen umfassende
Kompendien wie beispielsweise "The New Hoyle Containing Easy Rules for Playing
the Games of Whist, Quadrille, Cribbage, Piquet, Chess and Backgammon". Auch in
den Vereinigten Staaten von Amerika war der Name Hoyle in Verbindung mit
Gesellschaftsspielen ein Begriff geworden.
1863 erschien in Philadelphia "Hoyle's Games", welches gleichzeitig ein Standardwerk für Poker Spieler wurde. Noch heute wird im englischsprachigen Raum der Begriff "according to Hoyle" verwendet, was so viel bedeutet wie "streng nach den Regeln".
Eine für Schachspieler interessante Veröffentlichung datiert auf das Jahr
1857. In Bosten erschien im Verlag von Locke und Bubier ein illustriertes Buch,
welches das Schach-Handbuch von Thomas Frère beinhaltet. Der
vollständige Titel lautet: "Hoyle's games : Illustrated edition. Embracing all the most modern modes of
play, and the rules practised at the present time, in billiards, whist, draughts,
cribbage, backgammon, and all other fashionable games ; together with sixteen
games adapted to the new Yankee-notion cards. Also the whole of Frère's chess
hand-book. Containing, besides elementary instruction and the laws of chess,
about fifty select games by the first players ; endings of games, and the defeat
of the Muzio gambit. Also, thirty-six of the choicest chess problems, and a
description of, and rules for four-handed chess."
In Deutschland ist Hoyle weniger bekannt geworden. In der Zeitschrift "Wochenbände für das geistige und materielle Wohl" wurden 1847 seine Spielregeln zum Schach in deutscher Sprache veröffentlicht. Die Übersetzung besorgte Dr. Franz Kottenkamp. Die Wiedergabe des nachfolgenden Textes wurde in die aktuelle Rechtschreibung umgesetzt:
Das Spiel beginnt nachdem die beiden Partien durch Los oder Übereinkunft
über den ersten Zug entschieden haben. Hierauf wird abwechselnd immer nur eine
Figur gezogen; der Grundsatz des Vorrückens besteht darin, dass man allmählich
die Figuren gegen die des Feindes bringt, wobei jede Partie die Wirkung eines
besonderen Zuges vorher berechnet. Folgendes sind alte Schachregeln:
1) Berührt man eine Figur, so muss man dieselbe spielen, ausgenommen wenn man
dadurch den König dem Schach aussetzt, in welchem Fall man allein den König
bewegen kann, wenn dies ausführbar ist.
2) So lange man die Figur hält, kann man dieselbe nach Belieben setzen.
3) Ist die Hand entfernt, so muss die Figur bleiben, wo sie ist.
4) Berührt man eine Figur des Gegners, so kann derselbe verlangen, dass man sie
nimmt, wenn man dieses kann, sonst muss man den König ziehen, vorausgesetzt
derselbe kommt nicht in Schach.
5) Bei einem falschen Zug, der durch Zufall oder sonst verursacht ist, kann der
Gegner verlangen, dass man den König zieht; spielt er weiter, ohne es zu
bemerken, so gilt der falsche Zug.
6) Bietet der Gegner Schach, ohne dass es der Fall ist, und hat man mit dem
König einen Zug gemacht, so kann man denselben zurücknehmen.
7) Man darf nicht Schach bieten, wenn man den eigenen König dadurch in Schach
gibt.
8) Wenn der Gegner Schach bietet, ohne es zu sagen, und wenn er es erst beim
nächsten Zuge bemerkt und bietet, so muss jeder seinen Zug zurücknehmen.
9) Hat man mit dem König oder Turm einen Zug getan, so kann man nicht rochieren.
10) Bei jedem neuen Spiel haben die Spieler abwechselnd den ersten Zug, gibt
aber einer zu, dass er mit einer Figur weniger wie der Gegner anfängt, so hat er
den ersten Zug.
1) Man ziehe die Bauern vor den anderen Figuren und nachher die letzteren um
die ersteren zu unterstützen; die Bauern des Königs, der Königin und der Läufer
sollten zuerst gespielt werden, um das Spiel gut zu eröffnen.
2) Im Beginn des Spiels ziehe man nicht zu früh die Figuren; man verliert
dadurch Züge, wenn der Gegner durch den Zug eines Bauern sie zum Rückzuge
bringt; er eröffnet auch zugleich dadurch sein Spiel. Hauptsächlich vermeide man
die Königin auszuspielen, bis das eigene Spiel ziemlich eröffnet ist.
3) Man vermeide nutzloses Schachbieten, weil man den Zug verliert, wenn der
Gegner die Figur nehmen oder forttreiben kann.
4) Man dränge nie sein eigenes Spiel zu sehr zusammen.
5) Ist ein Spiel zusammengedrängt, so muss man dasselbe durch Austauschen von
Figuren oder Bauern (indem man eigene in der Art preis gibt, dass man zugleich
feindliche nimmt) zu befreien suchen, um den König, sobald es zweckmäßig ist,
rochieren; dann bringe man seine Figuren heraus und greife an.
6) Wenn der Gegner seine Figuren vor den Bauern ausspielt, so greife man sie
sobald wie möglich mit den Bauern an, wodurch man sein Spiel zusammendrängt.
7) Einen König greife man nie ohne genügende Kraft an; wird der eigene
angegriffen und man kann nicht vergelten, so biete man Austausch an, und zieht
der Gegner sich zurück, wenn man eine Figur zum Austausch anbietet, so verliert
er vielleicht einen Zug. Bisweilen kann es nützlich sein, so zu handeln im Falle
anderer Angriffe.
8) Man spiele mit den Figuren so, dass sie sich einander decken, so dass, wenn
der Feind eine genommen hat, er die seinige durch die deckende Figur verliert;
man muss in gleichem Maße decken, wie der Gegner und wo möglich mit weniger
wertvollen Figuren, als womit er angreift. Kann man die eigenen Figuren nicht
unterstützen, so greife man eine ebenso gute oder noch bessere von den seinigen
an, um die eigenen zu retten.
9) Niemals greife man ohne Vorbereitung an, denn dadurch eröffnet man des
Gegners Spiel und setzt ihn in Stand, einen starken Angriff nach der Beendigung
des schwachen Angriffes zu machen.
10) Man tue nie einen Zug ohne untersucht zu haben, ob man frei von Gefahr vor
dem Zug des Gegners ist; man greife nicht an, bis man den Schaden beachtet hat,
den er durch seine nächsten Züge in Folge des eigenen zufügen kann.
11) Ist der Erfolg glücklich, so lasse man sich nicht durch scheinbare Vorteile
davon abbringen, die der Gegner in der Absicht darbietet, dass er, im Falle man
der Lockung folgt, durch weitere Züge den Plan vereiteln kann.
12) Ist es bei gutem Angriff notwendig, dass man, um die Verteidigungslinie zu
durchbrechen, einige Figuren verliert, so opfere man einige Figuren, wenn man
mit Erfolg vorwärts dringen kann. Dergleichen kühne Versuche machen die
schönsten Spiele.
13) Niemals stehe die Königin so vor dem König, dass der Gegner, indem er einen
Turm oder Läufer vorbringt, dem Könige Schach bieten könnte, wenn sie nicht da
wäre; denn alsdann kann man sie kaum retten, oder muss wenigstens eine
untergeordnete Figur preisgeben. Z. B. man stelle den weißen König auf 61, die
Königin auf 53, den schwarzen König auf 4 und den Turm auf 16; wird letzterer
auf 13 gezogen, so muss er von der weißen Königin genommen werden, welche
ihrerseits wieder von dem schwarzen König genommen würde, weil die weiße Königin
nicht anders gezogen werden könnte, ohne den König dem Schach durch den
schwarzen Turm auszusetzen.
14) Man leide nicht, dass des Gegners Springer den König und die Königin oder
den König und den Turm, oder beide Türme zugleich bedrohen kann; im ersten Fall
geht die Königin oder der Turm verloren, weil der König aus dem Schach muss; in
den zwei letzten Fällen geht ein Turm wenigstens verloren. Man stelle die weiße
Königin auf 5, den Turm auf 7 und den schwarzen Springer auf 37; letztere Figur
auf 22 gesetzt, wird Königin und Turm bedrohen, und folglich muss einer für den
Springer verloren gehen.
15) Man hüte sich, dass kein gedeckter Bauer des Gegners zwei Figuren bedroht;
Springer und Türme sind besonders diesen Angriffen ausgesetzt; auch hüte man
sich sowohl vor einem Schach durch Entblößung als auch vor einem solchen, wo der
König nicht mehr von der Stelle kann.
16) Wenn die Könige auf den verschiedenen Seiten des Schachbretts rochiert
haben, so greife man mit den Bauern an, die man auf der Seite hat, wo der Gegner
rochierte, indem man die Figuren, besonders Königin und Türme zur Unterstützung
vorbringt. Wenn des Gegners König vorne 3 Bauern in erster Linie hat, so sollte
er dieselbe nicht eher ziehen als bis er dazu gezwungen ist.
17) Man bemühe sich in einem Hinterhalt vorzurücken, d. h. man stelle Königin,
Läufer oder Turm hinter einen Bauern oder eine Figur in solcher Weise, dass man,
wenn man den Bauer oder Turm spielt, ein Schach dem Gegner des Königs aufdeckt
und folglich oft eine Figur oder einen andern Vorteil dadurch erlangt. Man denke
sich den schwarzen König auf 6, einen weißen Läufer auf 41 und einen Bauer auf
34, zieht man den Bauer auf 26, so deckt der weiße Läufer dem schwarzen König
ein Schach auf.
18) Man decke nie eine untergeordnete Figur oder einen Bauer mit einem besseren,
wenn man es mit einem Bauer kann, weil die bessere Figur dadurch gleichsam außer
Spiel kommt.
19) Ein vorwärts geschobener und gut unterstützter Bauer kostet oft dem Gegner
eine Figur; ein Bauer aber, der von den anderen getrennt steht, ist selten von
Wert. Wenn man einen Bauer oder einen anderen Vorteil gewonnen hat, und kommt
nicht in Gefahr, dadurch den Zug zu verlieren, so mag man so häufig wie möglich
austauschen.
20) Hat jeder Spieler drei Bauern und keine Figur auf dem Brett, und ein Spieler
hat einen Bauern auf der einen, und die zwei andern auf der andern Seite; sind
ferner die drei Bauern des Gegners den eigenen zwei entgegen gesetzt, so
marschiere man mit dem König, um die Bauern zu nehmen. Macht der Gegner Züge, um
dieselben zu unterstützen, so ziehe man einen Bauern in die letzte Reihe des
Gegners, wodurch man für sich verlorene Figuren wieder bekommen kann; will er es
hindern, so nehme man seinen Bauern und ziehe die eigenen nach der hintern Reihe
des Gegners.
21) Gegen Ende des Spiels, wenn jede Partie nur drei oder vier Bauern auf
verschiedenen Seiten des Brettes hat, müssen die Könige sich bemühen, einen Zug
zu gewinnen, um so den Sieg zu erlangen, z. B. steht der weiße König auf 54 und
der schwarze auf 37, so würde der weiße den Zug abgewinnen, wenn er auf 53, und
der schwarze wenn er auf 38 spielt. In beiden Fällen könnte der feindliche nicht
vorrücken.
22) Hat man nur noch einen König und der Gegner nicht mehr als den König und
einen Bauer, so kann man das Spiel nie verlieren, wenn man den König dem
feindlichen gegenüber bringt, sobald derselbe unmittelbar vor oder auf einer
Seite von seinem Bauer ist und nur ein Quadrat zwischen den Königen sich
befindet; alsdann tritt natürlich Schachpatt ein, und das Spiel ist aus.
23) Niemals decke man ein Schach mit einer Figur, die ein vorgezogener Bauer
nehmen kann, weil man besorgen muss, nur den Bauer dafür zu bekommen; man stelle
einen Turm auf 7, und einen Bauern auf 40, indem der weiße König auf 63, und ein
Springer auf 61 steht; ist der weiße König im Schach vom Turm, und wird das
Schach durch Ziehen des weißen Springers auf 55 gedeckt, so kann der schwarze
Bauer auf 48 gezogen werden und den Springer nehmen.
24) Man dränge nicht die Figuren um den König des Gegners, so dass dieser nicht
mehr gezogen werden kann, weil alsdann das Spiel nur als unentschieden gilt.
25) Man fürchte sich nicht zu sehr, einen Turm gegen eine untergeordnete Figur
zu verlieren, denn er kommt selten ins Spiel; es ist im Allgemeinen besser, eine
schlechtere Figur im Spiel zu haben, wie eine höhere außerhalb desselben.
26) Hat man mit einer Figur einen Zug gemacht, welche der Gegner mit einem Bauer
forttreibt, so ist der Zug schlecht, weil der Gegner einen doppelten Vorteil
gewinnt. Obgleich am ersten Zug zwischen zwei gleich guten Spielern nicht viel
gelegen ist, so kann der Verlust von nur einem oder zwei nach dem ersten Zug das
Spiel unwiederbringlich verlieren lassen; kann man aber den Zug oder den Angriff
wieder erlangen, so steht das Spiel gut.
27) Steht das Spiel so, dass man kaum auf etwas spielen kann, so hat man
entweder die Figuren schlecht gezogen, oder gar nicht, was noch schlimmer ist;
hat man gut gezogen, so ist einen große Mannigfaltigkeit geboten.
28) Man scheue sich nicht, Bauern doppelt zu stellen; zwei in gerader Linie
sind nicht unvorteilhaft, wenn sie von drei oder vier anderen umgeben sind. Drei
zusammen sind stark, z. B. drei weiße Bauern auf 28, 35 und 37, aber vier, z. B.
mit 44 welche ein Quadrat bilden, sind mit der Hälfte anderer Figuren von
unbesiegbarer Kraft, und geben vielleicht Gelegenheit, dass man in des Gegners
erste Linie dringt; zwei Bauern aber mit einem Zwischenraum wie 35 und 37 sind
nicht besser wie einer, und hat man drei über einander in einer Linie, wie 26,
34 und 42, so ist das Spiel in sehr schlimmer Lage.
29) Ist eine Figur so angegriffen, dass man sie nur mit Schwierigkeit retten
kann, so gebe man sie auf und suche den Feind anderswo zu belästigen; während
der Gegner eine Figur verfolgt, erlangt man oft einen Bauern oder zwei, oder
eine Lage, die sich mit dessen Untergang endet.
30) Wird eure Königin und eine andere Figur zugleich angegriffen, und man muss
durch Entfernung der Königin die Figur verlieren, so gebe man lieber die Königin
preis, als dass man sich zurückzieht, im Fall man nämlich zwei Figuren für sie
beim Austausch erhalten kann, denn der Unterschied ist mehr wie der Wert einer
Königin; außerdem behält man seine Lage, was oft mehr wert ist, als eine Figur;
wenn Angriff und Verteidigung vollkommen gebildet ist, und der, welcher zuerst
spielt, vom Verteidiger zum Rückzug gezwungen wird, so verliert gemeiniglich der
Angreifer.
31) Man strebe ohne Grund nach keinem Austausch. Ein guter Spieler wird
denselben benutzen, um seine Lage zu bessern und die seines Gegners zu
verderben; ist man aber am stärksten, besonders durch eine Figur, und hat man
kein unmittelbares Schach im Auge, so erhöht der Austausch den Vorteil. Habt ihr
eine Figur gespielt, und der Gegner setzt euch eine entgegen, so tauscht
sogleich, denn er will euch entfernen, verhindert ihn und verliert den Zug
nicht.
32) Bisweilen untersucht euer Spiel und trefft danach eure Maßregeln.
33) Gegen Ende des Spiels, besonders wenn die Königinnen nicht mehr da sind,
sind die Könige ausgezeichnete Figuren. Man lasse den König nicht müßig stehen;
durch ihn muss man meist den Zug und den Sieg dem Gegner abgewinnen.
34) Da Königin, Türme und Läufer von der Entfernung aus wirken, ist es nicht
notwendig, dass man dieselben in der Nähe des feindlichen Spieles hat; man hat
sie besser in der Entfernung, da sie alsdann nicht fortgetrieben werden können.
35) Kann man eine Figur nehmen, und dieselbe kann nicht entgehen, so braucht man
nicht zu eilen; man versuche zuerst, ob man nicht sonst gute Züge tun kann.
36) Es ist nicht immer gut, einen feindlichen Bauer mit dem König zu nehmen,
denn derselbe dient ihm oft zum Schutze: man stelle einen schwarzen Turm auf 5
mit einem Bauer auf 45 und den weißen König auf 53, so wird er von dem schwarzen
Bauer vor dem Turm geschützt.
1) Mag man ein offenes oder ein geschlossenes Spiel spielen, so bringe man
alle Figuren vor dem Angriff ins Spiel; unterlässt man dies, während der Gegner
so verfährt, so ist man bei Angriff und Verteidigung im Nachteil; dies ist so
wesentlich, dass man lieber einen Vorteil aufgibt, als davon abweicht. Zuerst
ziehe man die Bauern und unterstütze dieselben mit den Figuren; dadurch wird das
Spiel nicht gedrängt, alle Figuren haben Spielraum und können sich unterstützen.
Man ziehe sie stets so, dass sie nicht zurückgetrieben werden können.
2) Hat man alle Figuren gut herausgebracht, welches alsdann geschehen ist, wenn
man auf alle Seiten hin die Wahl zu rochieren hat, so überschaue man das ganze
Spiel und entschließe sich, nach welcher Seite man rochieren und den Feind
angreifen will. Dadurch ist es möglich, das Spiel des Gegners zu durchbrechen,
wobei einige Figuren ausgetauscht werden müssen; alsdann überschaue man wieder
das Ganze und lasse sich nicht durch Ungestüm fortreißen; in diesem kritischen
Augenblick vereinige man alle seine Leute und bringe sie in guter Ordnung zum
zweiten oder dritten Angriff, indem man sie gedrängt zusammenhält, so dass sie
einander schützen. Bei Nichtbeachtung dieses Verfahrens wird ein beinahe
sicherer Sieg oft entrissen und eine gänzliche Niederlage ist die Folge.
3) Bei der letzten Periode des Spiels beobachte man, wo die Bauern am stärksten
und am besten verbunden und der Königin am nächsten stehen. Man betrachte
ebenfalls des Gegners Bauern und vergleiche beide; kann man vor ihm in die
letzte Linie dringen, um verlorene Figuren wieder zu erhalten, so tue man dies
ohne Bedenken. Wo nicht, so eile man mit dem König voran, um den Feind an jenem
zu verhindern. Dies ist in der Voraussetzung gesagt, dass alle höheren Figuren
fort sind; ist dies nicht der Fall, so lasse man die Bauern von denselben
begleiten und verhindere ebenfalls den Gegner, mit den Bauern in die letzte
Linie zu dringen.