Das Schachspiel in alten Zeitungen

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Das Schachspiel in Zeitungen und geschichtliche Ereignisse von 1802 bis 1861


Das Schachspiel ist ein gefährliches Spiel. Warum? – Weil es den Geist schärft und zum Nachdenken zwingt. Die meisten Revolutionsführer waren gleichzeitig auch starke Schachspieler. Solange es nur ein "Spiel der Könige" war und nicht ein Spiel der Bürger, Bauern und Arbeiter, fanden die herrschenden Fürsten der deutschen Kleinstaaten großen Gefallen daran. Der Feldherr übte sich im strategischen Spiel und sein Volk vergnügte sich mit Würfel- und Kartenspielen. Hier folgt einer kurzer geschichtlicher Abriss über das 19. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung der Verbreitung des Schachspiels durch Zeitschriften:

1802 veröffentlichte Napoleon Bonaparte den Code Civil. Es ist das erste Zivilgesetzbuch der Welt.

1803 erschien in Gotha im kaiserlich privilegierten Reichs-Anzeiger bei Becker in Nummer 244 ein vierseitiger Artikel zum Schachspiel. Rudolf Zacharias Becker (1752 in Erfurt – 1822 in Gotha) war Volksschriftsteller, Lehrer, Journalist, Verlagsbuchhändler und Herausgeber von Zeitungen. Der nicht genannte Verfasser geht ausführlich auf Leserfragen ein. Neben dem Schachspiel im Schachdorf Ströbeck werden Schachvarianten wie das Kurierspiel (ein Schachbrett mit 12 x 8 Feldern), besondere Schachregeln und Erweiterungsmöglichkeiten des Schachspiels auf vier Spieler besprochen.

1804 krönte sich Napoleon Bonaparte nach der Revolution und der Schreckensherrschaft unter Robespierre zum Kaiser. 1805 besiegte er in der Schlacht bei Austerlitz die Russen und Österreicher und 1806 die Preußen. Die 900-jährige Geschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation ging damit zu Ende. Kleinstaaten verloren ihre Eigenständigkeit und Frankreich beherrschte Europa. Napoleon soll ein Freund des Schachspiels gewesen sein.

1809 wurde der Aufstand der Bauern in Tirol mit Hilfe französischer Truppen niedergeschlagen und Andreas Hofer 1810 erschossen.

1810 gehören die Niederlande, Oldenburg, Ostfriesland, Bremen, Hamburg und Lübeck zum französischen Kaiserreich.

1811 erklärte Österreich den Staatsbankrott.

1812 scheiterte Napoleon in Moskau, verlor 1813 in der Völkerschlacht bei Leipzig und erlitt 1815 sein Waterloo. Der Wiener Kongress machte die Hoffnung auf demokratische Reformen, die deutsche Einheit und die Meinungsfreiheit zunichte. 1819 wurde die Meinungsfreiheit durch die Karlsbader Beschlüsse noch weiter eingeschränkt und überall herrschte die Zensur.

1813 erschien die erste periodische Schachspalte im Liverpool Mercury. Vor 1813 gab es noch keine Schachzeitung und auch keine regelmäßig erscheinende Zeitung mit einer Schachspalte. In den allgemeinen Zeitungen wurde nur selten vom Schachspiel berichtet.

1814/15 wurde nach dem Sieg über Napoleon Europa durch den Wiener Kongress neu geordnet.

1816 wurden in Preußen politische Vereine und Gesellschaften verboten.

1817 forderten Studenten und Professoren mehrerer Universitäten auf dem Wartburgfest einen einheitlichen Nationalstaat mit eigener Verfassung.

1819 wurde mit den Karlsbader Beschlüssen die Presse- und Versammlungsfreiheit in Deutschland eingeschränkt. Die Beschlüsse richteten sich gegen demokratisch-freiheitliche Tendenzen und führten zu einer allgemeinen Zensur und Verfolgung Andersdenkender.

1828 erschien die erste Schachspalte in einer deutschsprachigen Zeitung. Die Berliner Staffette wurde vom April 1828 bis Dezember 1829 mit insgesamt 458 Nummern im Verlag von Friedrich Laue herausgegeben. Der Verleger hatte in Anzeigen Wert darauf gelegt, dass die Berliner Staffette "keineswegs mit der Berliner Estaffette zu verwechseln ist". Vom 1. April bis Ende 1828 wurde Die Berliner Staffette, ein litterarisches Oppositionsblatt von Julius Curtius redigiert. Julius Curtius (1802–1849) war Professor in Berlin, Schriftsteller und Journalist. An der Redaktion war auch Karl Simrock beteiligt. Karl Simrock (1802-1876) war Dichter und Philologe. 1829 erschien die Zeitung im zweiten Jahrgang unter dem Titel Allgemeines Oppositionsblatt, eine Zeitschrift für Litteratur und Kunst und wurde von Ludwig Rellstab und K. Isaak Coppenhagen herausgegeben. Ludwig Rellstab (1799–1860) war Musikkritiker und Dichter. K. Isaak Coppenhagen (eigentlich Isaac Coppenhagen, 1803 in Bonn – 1829?) war von 1819 bis 1820 Studienfreund von Heinrich Heine und Karl Simrock an der Universität in Bonn. Das Erscheinen des Blattes wurde im Dezember 1829 eingestellt, weil Isaac Coppenhagen wohl 1829 verstarb.

1829 erschien im Allgemeinen Anzeiger der Deutschen in Nummer 335 bei Becker in Gotha ein umfangreicher Aufsatz über die Erweiterung des Schachspiels. Verantwortlicher Redakteur der Zeitung war zu diesem Zeitpunkt Johann Friedrich Hennicke (1764–1848). Der sechsseitige Leitartikel mit der Überschrift "Erweiterung des Schachspiels" ist anonym verfasst unter dem Kürzel (K. F. St---). Der Aufsatz nimmt Bezug auf zuvor erschienene Beiträge in dieser Zeitung. Interesse am Schachspiel war bei den Lesern wohl nicht vorhanden, denn eine Reaktion auf einen Schachbeitrag in der Zeitung Nummer 21 erschien erst in der Nummer 323. Man hegte damals noch die Hoffnung, in jeder deutschen Stadt wenigstens einen geübten Schachspieler antreffen zu können.

1830 hatten die Menschen in Europa wieder Hoffnung auf Reformen. Die Juli-Revolution in Frankreich stürzte König Karl X. Sein Nachfolger wurde der sogenannte Bürgerkönig Louis-Philippe. Auch in Deutschland kam es zu Unruhen.

1832 forderten auf dem Hambacher Fest tausende Menschen mehr Freiheiten und mussten leider scheitern. Nach den Feierlichkeiten für die Einheit und Freiheit in Deutschland mit schwarz-rot-goldenen Fahnen auf dem Hambacher Fest, beschloss der Bundestag, die Pressefreiheit vollständig abzuschaffen und die Zensur zu verschärfen. Volksversammlungen und Volksfeste politischen Inhalts waren von nun ab streng verboten.

1833 erschienen Schachaufgaben in der österreichischen Zeitung Feierstunden in den beigelegten Übungsheften. Die Zeitschrift wurde herausgegeben von dem österreichischen Schriftsteller und Journalisten Josef Sigmund Ebersberg (1799–1854). Bis Mitte 1835 erschienen wenige Schachaufgaben, darunter eine Aufgabe von dem Berliner Schachmeisters und Schachkomponisten Julius Mendheim (* ca. 1781; † 25. August 1836 in Berlin).  Die Aufgabe ist 1833 in Feierstunden Band 4 im Übungsblatt Nr. 47 als Beilage Nr. 141 (S. 1313) erschienen. Die Lösung wurde auf Seite 1370 gegeben.
Die erfolgreichen Löser der Aufgaben wurden vom Redakteur J. S. Ebersberg namentlich genannt. Von 1837 bis 1838 erschienen nochmals einige Schachaufgaben u. a. von Carl Grober und J. Rosmann in Feilhofen unter dem geänderten Zeitungstitel Der österreichische Zuschauer.

Die Zeitschrift Feierstunden erschien ab 1830 in Wien

Die Zeitschrift Feierstunden erschien ab 1830 mit mehrfach geänderten Titeln und geänderten Untertiteln. 1857 wurde sie unter dem Titel Der österreichische Zuschauer eingestellt.


1834 erschienen im Pfennig-Magazin Nummer 69 und 70 ein Artikel in zwei Teilen mit der Überschrift "Das Schachspiel, Allgemeine Betrachtung über den Nutzen desselben – Erfindung, Rösselsprünge, Schachmaschine". Das Pfennig-Magazin erschien wöchentlich von Mai 1833 bis 1855. Der Autor des Schachartikels wurde nicht genannt. Verleger und Chefredakteur der Zeitung war Johann Jakob Weber (1803–1880), der ab 1843 auch die Illustrirte Zeitung in Leipzig herausgab. Weber war Buchhändler und Gründer des Verlages J. J. Weber in Leipzig. Mit der Leipziger Illustrirten Zeitung war Weber der Begründer der illustrierten Presse in Deutschland. Das Konzept des preiswerten Pfennig-Magazins folgte dem Penny Magazine in England, den Penny-Papers in den USA und dem Le Magasin pittoresque in Frankreich. Der Inhalt des Schachartikels ist so geschrieben, dass ein breites Massenpublikum an dem Thema Schach Gefallen finden sollte. Im ersten Teil des Artikels wurden Rösselsprünge abgebildet und auf den Mathematiker Euler verwiesen. Im zweiten Teil folgte ein mit elf Zeichnungen versehener Bericht über das Geheimnis des Schachautomaten des Herrn Baron von Kempelen. Wolfgang von Kempelen (1734–1804) war Erfinder, Architekt und Staatsbeamter im Königreich Ungarn. Bekannt wurde er durch die Konstruktion des sogenannten Schachtürken, in dem ein in dem Gerät verborgener menschlicher Schachspieler mit Hilfe einer Mechanik die Schachzüge einer türkisch gekleideten Puppe steuerte.

Großbritannien entwickelte sich in den ersten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zum Industriestaat und war ökonomisch allen anderen Ländern weit voraus. 1816 traf der erste britische Raddampfer als erstes dampfbetriebenes Schiff in Hamburg ein. 1834 schuf der Deutsche Zollverein die Grundlagen für eine Industrialisierung in Deutschland. Die ersten Eisenbahnverbindungen entstanden (1835 Nürnberg – Fürth, 1839 Leipzig – Dresden). Die wirtschaftliche Entwicklung förderte damit indirekt auch die zunehmende Verbreitung und Popularisierung des Schachspiels.

In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts war eine freie Verlegertätigkeit nicht einfach. Pressefreiheit gab es nicht. Bei Publikation von Meinungsäußerungen war Vorsicht geboten. Kritische Schriftsteller und Verleger wurden oftmals von der Obrigkeit in Haft genommen.

1835 wurden in Deutschland liberale Bücher verboten und Georg Büchners Zeitung Der Hessische Landbote beschlagnahmt. Georg Büchner emigrierte in die Schweiz, wo er Dantons Tod schrieb. Die erste deutsche Eisenbahnlinie wurde im Dezember zwischen Nürnberg und Fürth in Betrieb genommen.

1836 wurde der Schriftsteller Fritz Reuter wegen angeblicher Majestätsbeleidigung zum Tode verurteilt. Später wurde er zu 30 Jahren Festungshaft begnadigt, von denen er dann aber "nur" 7 Jahre absitzen musste. Zwischen Hamburg und New York wurde ein regelmäßiger Frachtdienst mit Segelschiffen eingerichtet und in München-Bogenhausen mit der ersten deutschen Telegrafenlinie experimentiert.

1837 protestierten sieben Professoren der Universität Göttingen, unter ihnen die Gebrüder Grimm, gegen die Aufhebung der Verfassung durch den Hannoveraner König. Sie hatten noch Glück und wurden nur entlassen und teils des Landes verwiesen.

Am 11. November 1837 veröffentlichte das Pfennig-Magazin im Heft Nr. 241 eine Beschreibung zu der vom Künstler Moritz Retzsch (* 9. Dezember 1779 in Dresden; † 11. Juni 1857 in Oberlößnitz) geschaffenen Radierung "Die Schachspieler" mit folgendem Wortlaut: "Wir geben hier eine sehr gelungene Kopie des berühmten Blattes des geistreichen Künstlers Retzsch in Dresden. 'Satan, der mit einem Jüngling um seine Seele im Schach spielt', dies ist der Gegenstand dieser Zeichnung und man muss gestehen, dass dies ein Stoff ist, worin der eigentümliche Genius des Künstlers reiche Nahrung fand.

Moritz Retzsch Radierung mit dem Titel Die Schachspieler.

Zur Linken des Schachbretts sitzt Satanas, der gefallene Engel, der, wie es in der heiligen Schrift heißt, ein Mörder war von Anbeginn; sein lauernder, tückischer Blick haftet auf dem jugendlichen Gegner und macht uns für dessen Heil zittern. Ein weiter, faltenreicher Mantel wallt um Satanas Gestalt, der mit der einen Hand das Kinn stützt, während die andere eine Figur des Schachspiels, den Frieden vorstellend, von dem Brett weggestohlen hat. Der junge Mann, im tiefen Nachdenken, stützt sein Haupt in seine Rechte, als ob er sein ewiges Verderben im Voraus ahne und Alles aufbieten müsse, es abzuwenden. Zwischen Beiden und hinter dem Spielbrett steht der gute Genius des Menschen mit kummervollem Blicke, so, als ob auch ihm für die Seligkeit des Jünglings bange wäre. Die Stellung dieses Engels ist wahrhaft schön und ausdrucksvoll, seine Hände sind ineinander geschlossen, wie zum Gebet, seine Schwingen halb entfaltet, so, als müsse er bald entweichen; sein Haupt ist anmutig nach der Linken geneigt.

Dateil des Schachspiels mit Figuren aus der Radierung von Moritz Retzsch, 1779 bis 1857.

Werfen wir nun einen Blick auf die Schachfiguren. Auf der Seite des bösen Feindes trägt der König dessen eigne Gestalt. Die Königin ist die sinnliche Lust, die vor allen übrigen Figuren voransteht. Die Offiziere des Satans sind die Trägheit, in der Gestalt eines dicken Schweins; der Stolz, geformt wie ein Pfau; die Falschheit mit der einen Hand auf der Brust, mit der anderen einen gezückten Dolch hinter sich streckend; der Unglaube, der das Kreuz mit Füßen tritt; die Angst usw. Die Bauern sind Zweifel. Und wehe dem armen Jüngling! von allen Figuren seines höllischen Gegners hat er nur diese, nur die Angst, gewonnen, und einen Zweifel. Satan dagegen hat schon der Cherubine viele erbeutet, die des Jünglings Bauern sind, dazu auch die Demut, die Liebe, die Unschuld. Nur die Religion, die Wahrheit und die Hoffnung sind dem beklagenswerten Menschen noch geblieben. Verliert er auch diese, dann ist alles verloren, und es ist wahrscheinlich, dass er auch sei und mit ihnen seine arme Seele den höllischen Mächten wird überliefern müssen!"


1838 brach der englisch-chinesische Opiumkrieg aus, nachdem die Chinesen ein illegales britisches Opiumlager ausgehoben hatten. Im April schaffte es der erste mit Dampf betriebene Schaufelraddampfer mit dem Namen "Great Western" von Bristol über den Atlantik bis nach New York.

1839 wurde in Preußen die Arbeit für Kinder unter 9 Jahren untersagt und für Jugendliche der Neun-Stunden-Tag eingeführt. Wer träumt da nicht von der guten alten Zeit und möchte zu der Zeit Kind gewesen sein.

1843 erschien ab dem 1. Juli die Illustrirte Zeitung bei J. J. Weber in Leipzig für mehr als hundert Jahre bis September 1944. Johann Jacob Weber wagte das Experiment mit den kostenaufwendigen Holzstich-Illustrationen (Xylographien). Die Xylographie wurde zur meist verbreiteten Reproduktionstechnik für Illustrationen im 19. Jahrhundert. Es war die erste überregionale Zeitung, welche regelmäßig Beiträge zum Schach und zum Problemschach brachte. Die Schachspalte wurde von Karl Julius Simon Portius (1797-1862) in Leipzig redigiert. Nach seinem Tode 1862 übernahm Max Lange (1832-1899) nur vorübergehend die Leitung der Schachspalte, bevor der Leipziger Schachspieler Richard Mangelsdorf (1823–1894) diese für 20 Jahre weiterführte. 1881 übergab er die Schachspalte für ca. weitere zehn Jahre an Johannes Minckwitz jun. (1843–1905).

1844 wurde ein Aufstand der ausgebeuteten schlesischen Weber blutig niedergeschlagen. Danach schrieb Heinrich Heine sein Weberlied.

1846 wurde Krakau von Österreich annektiert und König Christian VIII. von Dänemark erklärte in einem offenen Brief die Zugehörigkeit der Länder Schleswig und Holstein zu seinem Königreich Dänemark.

Wochenbände für das geistige und materielle Wohl, 1847

1847 erschien in der Nummer 49 der Wochenbände der Beitrag "Erholungsspiele im Hause", der die Themen Schach, Dame, Triktrak, Billard, Bagatelle, Kartenspiele und Tanz auf insgesamt 51 Seiten behandelt. Dr. Franz Justus Kottenkamp (1806–1858) übersetzte den Text aus dem Englischen. Kottenkamp war Schriftsteller, Philologe, Übersetzer und Historiker. Von 1846 bis 1849 erschienen insgesamt 300 Nummern der Wochenbände für das geistige und materielle Wohl des deutschen Volkes. Diese wurden herausgegeben von der Gesellschaft zur Verbreitung guter und wohlfeiler Bücher in Stuttgart im Verlag von Rieger & Sattler. Von 1851 bis 1852 erschien eine 2. verbesserte Auflage ebenfalls bei Rieger.

In den deutschen Bürgerhaushalten war das Interesse an international beliebten Spielen gestiegen. In den Wochenbänden wurden insbesondere Anfängern die Spiele und Spielregeln erklärt. Nach einer kurzen Darstellung der Entstehungsgeschichte des Schachspiels wurden die Figuren erläutert und wie folgt abgebildet:

Schachfiguren Abbildung von 1847

Für das Schachbrett galt noch die damals übliche Notation

Schachbrett mit der alten Notation vor 1847

Anschießend wurden die Bewegungen der Figuren beschrieben, wie z. B.: "Sobald der König nicht mehr die Mittel hat, sich in einen Platz der Sicherheit zu begeben, so ist das Spiel zu Ende." Die Fußnote hierzu lautet: "In einer Schlacht zwischen Engländern und Franzosen 1117 ergriff ein englischer Ritter den Zaum von Ludwig dem Dicken, indem er seinen Kameraden zurief: 'Der König ist gefangen.' Dieser aber schlug ihn mit seinem Schwert zu Boden: 'Ne sais tu pas qu' aux échecs on ne prend pas le roi?" (Übs.: Weißt du nicht, dass man den König nicht im Schach nimmt?)

Selbst noch im Jahre 1847 verwies Kottenkamp bezüglich der Spielregeln auf die alten Gesetze und Regeln nach Edmond Hoyle und übersetzte diese in seinem Beitrag für die Wochenbände in die deutsche Sprache. Edmond Hoyle (1672–1769) war ein britischer Experte für Spiele. Er verfasste Spielregeln und schrieb Bücher über Whist, Backgammon, Schach, Quadrille etc. Siehe hierzu meinen Beitrag Die Schachregeln nach Edmond Hoyle

1848/1849 entlud sich der aufgestaute gesellschaftspolitische Druck in der sogenannten Märzrevolution. Auch in Frankreich brach erneut die Revolution aus und der König musste abdanken. Fürst Metternich floh aus Wien und der König von Preußen versprach eine Verfassung. In der Paulskirche versammelte sich das erste frei gewählte Parlament, das eine Verfassung mit einem Kaiser an der Spitze beschloss. Friedrich Wilhelm IV. lehnte diese Krone ab und 1849 brach die Revolution zusammen. Die Schaffung eines einheitlichen demokratischen Nationalstaats wurde mit Gewalt verhindert, aber das Bürgertum war für die Demokratisierungsbewegung sensibilisiert. Das Schachspiel war mehr als zuvor auch in den bürgerlichen Haushalten verbreitet. Zahlreiche Zeitschriften brachten Beiträge zum Schach und richteten regelmäßige Schachspalten ein. Meist waren diese auf den letzten Seiten einer Zeitschrift zusammen mit Rätselaufgaben, Rebus, Humorvolles etc. zu finden.

1851 fand in London die erste Weltausstellung statt. Howard Staunton (1810-1874) organisierte aus diesem Anlass das erste internationale Schachturnier. In der großen gläsernen Messehalle Crystal Palace gewann Adolf Anderssen (1818-1879) das Turnier im K.-o.-System. Bei einer Freundschaftspartie außerhalb der Turnierpartien spielte er gegen Lionel Kieseritzky (1806-1853) die "Unsterbliche Partie".

1852 lies Napoleon III. sich in Frankreich zum Kaiser wählen. In Österreich versuchte Kaiser Franz weiterhin absolutistisch zu regieren und in Deutschland blieb die politische Lage unklar.

das illustrierte Familienblatt die Gartenlaube. Titel der Zeitschrift von 1857.

1853–1937 erschien das illustrierte Familienblatt Die Gartenlaube. Die Zeitschrift wurde 1853 von Ernst Keil und Ferdinand Stolle in Leipzig gegründet. Ernst Keil (1816–1872) war Leipziger Buchhändler, Verleger und Kämpfer für die Pressefreiheit. Ludwig Ferdinand Stolle (1806–1872) war Dresdner Schriftsteller und Journalist. Bis 1862 war Stolle der Herausgeber. Ernst Keil waren die bürgerlichen Ehrenrechte aufgrund eines Pressevergehens entzogen und er durfte als Herausgeber nicht fungieren. 1859 wurde in der Zeitschrift eine regelmäßige Schachspalte eingerichtet und von Jean Dufresne (1829-1893) redigiert. Dufresne schreibt im Heft 6 auf Seite 88:
"Bei der Übernahme der Redaktion eines von nun ab dem Schach gewidmeten Teiles dieser Zeitschrift verspreche ich den zahlreichen Freunden des edlen Spieles, dauernd eine Auswahl guter Partien und Aufgaben zu Gebote zu stellen und sie von allen wissenswerten Novitäten der Schachwelt in Kenntnis zu setzen. Ich hoffe, auf die Unterstützung derjenigen deutschen Schachfreunde rechnen zu dürfen, mit denen ich als Redakteur der Berliner Schachzeitung in enger Verbindung gestanden, und bemerke, dass ich alle an mich unter der Adresse der Verlagshandlung zu richtenden Korrespondenzen in Schachangelegenheiten teils in der Gartenlaube, teils brieflich beantworten werde. Berlin, im Januar 1859. Jean Dufresne."

Nach dieser Einleitung folgt sogleich die Aufgabe Nr. 1 von Adolf Anderssen (Weiß setzt mit dem dritten Zuge matt). Danach folgt die Partie Nr. 1, hier der Schachwettkampf in Paris zwischen den Herren Anderssen und Morphy in der üblichen Darstellung und mit Bemerkungen in einigen Fußnoten. Nach der Darstellung der Partie schreibt Dufresne noch die folgende Bemerkung:
"Bekanntlich hat Professor Anderssen den Match, den er gegen den amerikanischen Gegner gespielt, mit einer auffallend kleinen Minderzahl von Gewinnpartien verloren. Nach unserer Meinung ist aber der Schluss, dass Anderssen wirklich schwächer als Morphy spiele, aus dem Resultate dieses Kampfes keineswegs mit Sicherheit zu entnehmen, indem teils die Anzahl der gespielten Partien an sich zu gering ist, um einen Maßstab geben zu können, teils auch Morphy den Vorteil einer langen Übung mit den stärksten europäischen Gegnern vor dem Professor Anderssen, der in Breslau keine Gelegenheit zu ernsteren Schachkämpfen findet, voraus hatte."

Weitere Beschreibungen von Jean Dufresne lesen Sie bitte in meinem ausführlichen Beitrag Jean Dufresne und die Schachmeister

 

Die Illustrirte Welt – Blätter aus Natur und Leben, Wissenschaft und Kunst zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie

1853–1902 erschien Die Illustrirte Welt – Blätter aus Natur und Leben, Wissenschaft und Kunst zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie, im Verlag von Eduard Hallberger in Stuttgart und enthielt ab 1859 regelmäßig Schachaufgaben. Georg Eduard von Hallberger (1822–1880) war ein deutscher Buchhändler, Verleger und Gründer einer der größten Holzstechereien (Xylographische Anstalt) und Papierfabriken in Deutschland. Das Verlagsgeschäft ging 1881 in die Aktiengesellschaft Deutsche Verlags-Anstalt (DVA) auf.

Zu dem Diagramm der ersten Aufgabe für Anfänger schreibt die Redaktion 1859: "Den Wünschen vieler Schachfreunde entsprechend, gewähren wir hiermit dem edlen Schach einen Platz. Die Redaktion übernimmt Herr Dufresne in Berlin, der namentlich dafür Sorge tragen wird, dass nicht bloß stärkere Spieler, sondern auch Anfänger und mäßige Kenner angenehme Unterhaltung und lehrreiche Unterweisung in dem Schach der Illustrirten Welt finden sollen. Die Löser der Aufgaben werden genannt werden. Briefe und Mitteilungen für diese Rubrik bitten wir nicht an uns, sondern frankiert an Herrn J. Dufresne in Berlin, Tieckstraße 4, zu adressieren."

Illustrirtes Familien-Journal - eine Wochenschrift zur Unterhaltung und Belehrung

1854–1869 Illustrirtes Familien-Journal - eine Wochenschrift zur Unterhaltung und Belehrung erschien im Verlag der Englischen Kunst-Anstalt A. H. Payne in Leipzig. Albert Henry Payne (* 1812 in London; † 1902 in Leipzig) war ein englischer Stahlstecher, Maler und Illustrator. 1845 gründete er in Leipzig seinen Verlag. Mit der Nummer 173 erschienen ab dem Jahre 1857 regelmäßig Schachaufgaben, die Herrmann Pollmächer (1826–1861) in Leipzig redigierte. Nach dessen Tod am 24. Dezember 1861 übernahm Dr. Eugen von Schmidt die Redaktion der Schachspalte.


Dr. Eugen von Schmidt

Dr. phil. Johann Heinrich Eugen von Schmidt (* 24. Juni 1821 in Kuressaare, Saaremaa, Estland; † 17. November 1905 in Freiburg im Breisgau) gewann 1863 ein Match gegen Adolf Anderssen in Breslau. In der Zeit von 1864 bis 1866 spielte er mehrfach in Leipzig gegen Louis Paulsen (1833–1891) und Johannes Minckwitz jr. und in den Jahren 1877–1879 mehrfach gegen Michail Iwanowitsch Tschigorin in Petersburg. 1861 übernahm er nach dem Tod von Herrmann Pollmächer in Leipzig die Redaktion der Schachspalte im Illustrirten Familien-Journal. Von 1865 bis Mitte 1866 war Eugen von Schmidt gemeinsam mit Johannes Minckwitz jr. Herausgeber der Schachzeitung in Berlin. 1866 reiste er nach Moskau und wurde dort als Lehrer für deutsche und alte Sprachen tätig. Er schrieb Bücher zur Philosophie und Mythologie und das Schachbuch Systematische Anordnung der Schacheröffnungen, Leipzig, 1895.


1855 erschien vom 1. Januar bis zum 22. Dezember die Katholische illustrirte Zeitung (Jahrgangstitel) in Leipzig. Nebentitel: Illustrirte Zeitung für das katholische Deutschland. Mehr als dieser Jahrgang ist nicht erschienen. Die Zeitung brachte Artikel zum Schach unter der Redaktion des Leipziger Schachspielers Richard Schurig (1825–1896).

Der Bazar Illustrierte Damen-Zeitung Anzeige von 1872

1857 brachte die Zeitschrift Der Bazar, Illustrirte Damen-Zeitung in Berlin ab 1. Januar Rösselsprung-Aufgaben in einer kleinen Schachrubrik. Sehen Sie hierzu auch mein Buch mit Leseproben auf meiner Seite Elke Rehder Presse

1858 wurde das erste atlantische Seekabel von Irland nach Neufundland verlegt. Dies war der Auftakt zu einem neuen Zeitalter der Kommunikation. Es dauerte jedoch noch mehr als 40 Jahre bis im Jahre 1895 die erste Fernschachpartie per Telegraph zwischen dem British Chess Club und dem Manhattan Chess Club gespielt wurde.

 

Über Land und Meer, Allgemeine Illustrierte Zeitung von 1871

1859 erschien erstmalig eine Schachspalte in der Zeitung Über Land und Meer – Allgemeine Illustrirte Zeitung, herausgegeben von dem Schriftsteller Friedrich Wilhelm Hackländer (1816–1877) im Verlag des Stuttgarter Verlegers und Buchhändlers Eduard Hallberger (1822-1880). Der erste Jahrgang 1858/59 (Nov. 1858 – Juni 1859) enthielt ab Nr. 9 vom 2. Februar eine von Jean Dufresne redigierte Schachspalte. Die Schachaufgabe Nr. 1 war eine Aufgabe von Friedrich Wilhelm von Mauvillon (1774–1851).  Er war ein preußischer Oberst und Verfasser des Schachbuches Anweisung zur Erlernung des Schach-Spiels, Essen, G. D. Bädeker, 1827. Die Schachaufgabe Nr. 2 in der Ausgabe Nr. 10 vom 9. Februar war eine Selbstmattaufgabe von Dufresne. Ab 1881 erschien die Zeitschrift bei der Deutschen Verlagsanstalt (DVA), die aus Hallbergers Verlag hervorging. 1888 ging das Blatt in die Deutsche Illustrirte Zeitung auf. Die Schachspalte wurde von Dufresne redaktionell in Berlin betreut.

In den Jahren 1859 bis 1860 wurden in Deutschland, Österreich und der Schweiz zahlreiche Zeitungen gegründet. Das Wiener Wochenblatt, Der Telegraph in Wien, die Frauenzeitung in Leipzig, Der Bund in Bern hatten alle eine Schachspalte.

1861 löste Wilhelm I. seinen Bruder Friedrich Wilhelm IV. ab. 1862 wurde Otto von Bismarck Kanzler. Deutschland erlangte seine Einigung unter der Führung Preußens in den Kriegen gegen Dänemark (1864), gegen Österreich (1866) und gegen Frankreich (1870) und Wilhelm I. wurde in Versailles zum Kaiser proklamiert. 1871 war Deutschland zum ersten Mal ein Staat mit der Hauptstadt Berlin. Das Deutsche Reich bestand jetzt "nur" noch aus 25 Bundesstaaten (Königreiche, Großherzogtümer, Herzogtümer und kleinere Fürstentümer).

 

Bitte schauen Sie auch meine Seite Schach in europäischen Zeitungen vor 1862
 

Abbildungen aus der Elke Rehder Collection. Text von Elke Rehder, Juli 2018

 

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