Das Schachspiel 1800 bis 1850

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Die unterschiedliche Beschreibung des Schachspiels in Lexika von 1809, 1837 und 1841

Brockhaus Conversations-Lexikon, Bd. 5. Amsterdam 1809, S. 70-71:

Das Schachspiel. Dieses so bekannte als scharfsinnige Bretspiel, über dessen Erfindung so vielerlei Meinungen herrschen, hat wohl ohne allen Zweifel den Morgenländern und am wahrscheinlichsten den Indianern seine Entstehung zu verdanken. Ein Indianischer König theilte es in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts dem Persischen König Cosroes mit; von den Persern kam es zu den Arabern und von diesen nach Spanien. Zur Zeit der Kreuzzüge, besonders im zwölften Jahrhundert, ward es durch die Araber erst noch bekannter in Europa und besonders auch in Italien, wo es verschiedene Abänderungen in Ansehung der Namen – z. B. daß der General (Ferz) in die Königin, der Elephant in einen Thurm, der Laufer in einen Narren verwandelt wurde – erlitt. In den Deutschen poetischen Ritterromanen von der Tafelrunde wird denn auch zuerst des Schachspiels erwähnt; und in einem Dorfe, Ströpke*), zwischen Braunschweig und Halberstadt, haben die Bauern von jeher den Ruf geschickter Schachspieler gehabt. – Man hat aber hauptsächlich dreierlei Arten dieses Schachspiels, nehmlich 1) das kleine oder alte, das mit 16 Steinen auf einer Tafel von 64 Feldern, 2) das neue oder große Schachspiel, auch das Courierspiel genannt, wo auf einer Tafel von 96 Feldern mit 24 Steinen (worunter vier Couriers sich befinden) und endlich 3) das Welsche (das in Italien seine Gestalt erhalten hat), welches bei uns in allen feinen Gesellschaften gespielt wird. – Die Steine bei dem Schachspiele sind bekannter Maßen gebildete Figuren, welche lauter Kriegspersonen der Morgenländischen Völker vorstellen, z. B. der Schach (Fürst oder Herr), bei uns der König; der Pharz oder Ferz (Feldherr), bei uns die Königin; Pil (der Laufer, bei den Franzosen der Narr); der Cavalier oder Springer; Roch (bei den Morgenländern ein Kamehl oder Dromedar), bei uns ein Thurm oder Elephant etc. Ueber den Rösselsprung im Schachspiel s. diesen Art. – Von dem so berühmt gewordenen Schachspieler des Herrn von Kempelen s. den Art. Automat.

*) Ströpke oder Ströbke = Bitte lesen Sie meinen Beitrag zur Geschichte des Schachspiels im Schachdorf Ströbeck

Anmerkung: Die Texte aus den alten Lexika wurden in der alten Rechtschreibung und Schreibweise belassen.

 

Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 73-74.

Schachspiel, das bekannte sinnreiche Bretspiel, in welchem nicht wie bei anderen Spielen das Glück, sondern die Berechnung Königin ist, das artige Miniaturbild politischer und kriegerischer Combinationen – fast zu ernst, wie der berühmte Mendelssohn*1) sagte, um Spiel zu sein, und wiederum zu sehr Spiel, um Ernst zu sein – stammt wahrscheinlich aus Indien und kam über Persien zu uns, daher sein persischer Name »Schah,« König, auf dessen totale Einengung es im Spiele ankommt. Es enthält zugleich eine sinnreiche Galanterie gegen die Damen: die Königin spielt bekanntlich darin die Hauptrolle. In früherer Zeit wurde das S. als eine große und gleichsam freie Kunst betrachtet: wie jetzt Virtuosen auf einem Instrumente, reisten sonst große Schachspieler überall umher, gleich fahrenden Rittern und Künstlern, und warfen andern berühmten Spielern den Fehdehandschuh hin. Die Schachmaschine, welche vor einigen Jahren so großes Aufsehen machte, war bekanntlich eine Mystification. Noch jetzt gibt es an vielen Orten, namentlich in Paris und London, große Schachclubbs, welche zuweilen durch Briefe mit einander spielen. In dem Dorfe Steinbeck*2) bei Halberstadt wird seit mehr als 100 Jahren von allen Bauern die Kunst des S's fast pflichtmäßig betrieben.

*1) Gemeint ist der Philosoph Moses Mendelssohn (geboren am 6. September 1729 in Dessau; gestorben am 4. Januar 1786 in Berlin). Der Schachspieler und Schachautor Hirsch Hermann Silberschmidt (1801-1866) zitierte Modelssohn in seiner zweiten gänzlich umgearbeiteten und vermehrten Auflage, die 1845 in Wolfenbüttel unter dem Buchtitel Lehrbuch des Schachspiels mit besonderer Berücksichtigung des Gabitspiels, nebst einer systematischen Anleitung zum kleinen Kriegs- und sinesischen Schachspiel erschien, in dem dortigen Anhang Die Geschichte des Schachspiels auf S. 301: "Moses Mendelssohn pflegte vom Schachspiel zu sagen: 'Als Spiel ist's zu viel Ernst, und als Ernst zu viel Spiel.' Auch bei einer andern Gelegenheit: Als Spiel ist's zu viel Wissenschaft und als Wissenschaft erfordert es zu viel Spiel."

*2) Gemeint ist das Schachdorf Ströbeck

 

Bilder-Conversations-Lexikon für das deutsche Volk, Band 4. S-Z. Leipzig: Brockhaus 1841

Schachspiel (das) ist das älteste, geistreichste und schwierigste Spiel. Im Morgenlande ist es seit den ältesten Zeiten allgemein im Gebrauch und die Chinesen wollen es schon 200 Jahre vor der christlichen Zeitrechnung gekannt haben. Daß es zu uns aus Persien gekommen, beweist schon der Name Schach, welches ein pers. Wort ist und König bedeutet. Es wird auf einem quadratförmigen Bret gespielt, das in 64 gleiche Felder getheilt ist, unter denen immer ein schwarzes mit einem weißen wechselt. Auf diesem Schachbret sind in einer gewissen Ordnung die Figuren aufgestellt, welche verschiedene Namen, verschiedene Bedingungen, wie sie bewegt werden dürfen, und dem gemäß verschiedene Geltung haben. Jeder Spieler hat 16 solcher Figuren und unter diesen ist der wichtigste der König, denn der Zweck des Spiels ist der, solche Stellungen mit seinen Figuren anzunehmen, daß der König sich nicht mehr bewegen kann, ohne genommen zu werden. Es kommt bei diesem Spiele Alles auf Umsicht, Klugheit und Ruhe der Spielenden an, gar nicht auf den Zufall. Hierin liegt der Grund seiner Schwierigkeit. Außer dem König (in der untenstehenden Abbildung a) gibt es noch folgende Figuren: die Königin (bei den Morgenländern Vezier oder Feldherr genannt - b), zwei Läufer (bei den Franzosen Narren, bei den Engländern Bischöfe genannt –cc), zwei Springer (bei den Engländern und Franzosen Ritter oder Reiter – dd), zwei Thürme oder Rochen (von dem indischen Worte Roch, d. h. Streitwagen – ee). Zu den genannten Figuren, welche zusammen Offiziere heißen, kommen noch acht Bauern (die obere Reihe). Das Schachspiel ist ursprünglich eine Nachahmung der Kriegsführung, man hat daher in neuerer Zeit eine großartigere und ausgedehntere Art von Schachspiel, das Kriegsspiel, erfunden. Eine andere Art vergrößerten Schachspiels ist das Courrierspiel. Das Schachspiel wird auch unter drei und vier Spielern gespielt. Zur Ausübung dieses interessanten Spiels haben sich in verschiedenen Städten sogenannte Schachclubs gebildet und zuweilen sind Schachclubs verschiedener Orte gegeneinander zu Felde gezogen, sodaß der eine gegen den anderen kämpfte, indem sie sich durch Briefe oder Zeitungen Nachricht gaben von den Zügen, welche nach gemeinsamer Berathung jeder Club für sich gut befand. Großes Aufsehen machte noch in Anfange dieses Jahrhunderts die Schachmaschine des Herrn von Kempelen, welche derselbe zuerst 1769 der Kaiserin Maria Theresia zeigte. Dieselbe bestand scheinbar aus einem Automaten, welcher auch die geschicktesten Schachspieler besiegte. In der Folge hat es sich mit ziemlicher Gewißheit erwiesen, daß diese Maschine auf Täuschung beruhte, sodaß auf die geschickteste Weise ein Mensch in ihr verborgen war, welcher eigentlich das Spiel leitete. Einzelne Menschen haben sich als ausgezeichnete Schachspieler einen Namen erworben, z. B. der Herzog August von Braunschweig, der auch unter dem Namen Gustavus Selenus eine Abhandlung über das Schachspiel herausgab. Eine eigene Aufgabe, deren mathematische Lösung sogar den großen Mathematiker Euler (s.d.) beschäftigte, ist der sogenannte Rösselsprung. Dieselbe besteht darin, daß man den Springer (Rössel) so auf dem Schachbrete nach den ihm eigenthümlichen Bedingungen bewegt, daß er nacheinander auf alle Felder des Schachbrets zu stehen kommt.

Schachspiel aus dem Bilder-Conversations-Lexikon für das deutsche Volk 1841
Abb. aus dem Bilder-Conversations-Lexikon für das deutsche Volk 1841

 

Zusammengestellt und mit Fotos und Anmerkungen versehen von Elke Rehder, Juni 2018

 

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