Die großen Schachfiguren von Ludwig Foltz, 1809 - 1867 |
Anfang des 19. Jahrhunderts war in den deutschen Bürgerhaushalten das Interesse an international beliebten Spielen gestiegen. Den zahlreichen Anfängern wurden die Regeln des Schachspiels erklärt. Die Spielfiguren wurden 1841 im Brockhaus Lexikon wie folgt dargestellt:
Schach - Ein Satz Spielfiguren um 1841
Diese Darstellung macht zugleich deutlich, dass es sich bei den Foltz’schen
Schachfiguren um künstlerische Plastiken handelt und nicht um Spielfiguren.
Die nachfolgend abgebildeten Schachfiguren wurden von Ludwig Foltz für die Dekoration von Spielsälen entworfen. Die ca. 50 cm hohen Figuren wurden aus roter Erde (Terrakotta) gebrannt. Laut der Leipziger Illustrirten Zeitung von 1850 waren die Figuren für einen Schachklub in New York bestimmt. Die hier gezeigten Fotos von den Holzstichen wurden von mir bearbeitet, damit sich die Seite mit den zahlreichen Bildern schnell genug aufbauen kann und die plastische Wirkung der Figuren trotzdem gut zur Geltung kommt. Die Texte unterhalb der Abbildungen stammen aus der Feder des Künstlers Ludwig Foltz.
Figur 1. Ein Tambour, ein verschmitzter Junge, der entweder über eine Schlingelei oder eine neue Trommelmelodie nachdenkt.
Figur 2. Ein Fahnenträger. Ein roher Kerl, aber charakterfest. Er schläft, lässt aber dabei die Fahne nicht los, lehnt sich an sie an, damit er nicht umfalle.
Figur 3. Gähnt und streckt sich, weil er das hinter ihm sich befindende Stroh in der Nase hat, und möchte darauf seine faulen Glieder ausstrecken und schnarchen. Hat auch darum schon den einen Stiefel ausgezogen.
Figur 4. Drückt den fürchterlichsten Zorn in Miene und Gebärde aus, steht auf seinen Beinen wie auf schwer gedrückten Säulen, legt den Oberkörper vor, hat das Maul geöffnet, und zugleich das Mordmesser halb aus der Scheide gezogen. Er steht an der Seite eines Grenzsteins, um den man sich schon oft gestritten hat, welcher teilweise verhauen und zerschlagen ist. Dieser Lümmel hat im Sinn, den Feind, der seine Grenze überschreitet, entweder mit den Zähnen zu zerreißen, oder mit seinem Mordinstrument zu zerspalten.
Figur 5. Wirft die Nase hoch in die Luft, stemmt die Arme keck unter, steht mit gespreizten Beinen und macht sich möglichst breit, hat auch sonst in seinem Anzuge etwas Übermütiges. Hinter ihm steht ein Kornsack: man sieht dem ganzen Manne an, dass er denkt: Mögen die sich hauen, ich habe mein Schäfchen im Trocknen.
Figur 6. Kratzt sich hinter den Ohren mit einem eher zum Weinen als zum Lachen aufgelegtem Gesicht, und lehnt sich dabei an ein aus rauen Baumstücken zusammengeflicktes Kreuz. Dieser Kerl, der an der Stelle eines begrabenen Kameraden steht, denkt: Wie lange wird’s noch dauern, geht’s mir auch so.
Figur 7. Hat mit seinen großen Fäusten den Hammer gefasst, der zwar noch auf der Schulter, aber immer schlagfertig ist. Er lehnt an einem Türpfosten, der bereits in Trümmern. Es hat derselbe Mensch, ein echter Vandale, gewiss schon manches Haus oder Schloss zerstören helfen.
Figur 8. Zwickt sich unterm Arme und scheint dabei ein gewisses Wohlbehagen zu empfinden. Er steht an einem vom Blitze zerschmetterten Baumstamme – ein Sinnbild der Rache Gottes.
Erläuterungen über Turm und Springer sind überflüssig.
Im Gegensatze mit den bummelhaften Bauern sind alle anderen Figuren in geregelten und netten Formen geschaffen und die Kostüme zierlich. So die beiden Läufer, schöne und edle Jünglinge, mit viel Grazie in Bewegung.
Die Königin, weil sie die mächtigste Figur im Spiel, hat eine stolze, imponierende Gestalt, trägt die Nase etwas hoch, und man sieht ihr an, dass sie sehr wohl weiß, wie wichtig und schön sie ist. Mit Juwelen und Stickereien treibt sie viel Luxus, alle ihre Reize kehrt sie nach außen.
Der König hingegen, ein schwacher Charakter, zeigt viel Demut in Gebärde und Blick. Das Schwert hat er nicht gezogen, weil er es nicht zu führen versteht, und das Zepter trägt er wie die Unschuld den Lilienstengel.
Zu Leben und Werk des Bildhauers und Baumeisters Ludwig Foltz schauen Sie bitte meine Seite Ludwig-Foltz